ARISTOTELES, Johannes Versoris und ANDREAE, Antonius – 1) Johannes Versoris – Quaestiones super libros Ethicorum Aristotelis. (Köln), Heinrich Quentel, 1491. CXXII Bll. – (ISTC IV00255000; GW M50232) // 2) Aristoteles – Oeconomica. (Übersetzer: Durandus de Alvernia. Kommentar: Johannes Versoris). (Köln, Heinrich Quentel, um 1491). 6 Bll. – (ISTC IA01010000; GW 2431). // 3) Aristoteles – Politica. (Übersetzer: Guilelmus de Moerbeka. Kommentar: Johannes Versoris). Köln, Heinrich Quentel, 8. März 1492. CXXIII Bll. – (ISTC IA01026000; GW 2444). // 4) Antonius Andreae – Quaestiones super XII libros Metaphysicae Aristotelis. Leipzig, Wolfgang Stöckel, (um 1491) LXXXIX Bll. – (ISTC IA00586500; GW 1663). — 4 Inkunabeln in 1 Band.
Zeitgenössischer Erfurter Schweinsleder-Einband über Holzdeckel mit reicher Blindprägung auf beiden Deckeln und Rücken. Unter den jeweils mehrfach verwendeten Stempeln befinden sich mehrere Blüten in verschiedenen Größen, ein Hirsch in einem Quadrat, ein Löwe in einem Quadrat, ein mit einem Pfeil durchbohrtes Herz in einer Raute und eine Lilie in einer Raute. Bei dem Binder könnte es sich um Erhard Herold handeln, welcher in Erfurt zwischen 1485 und 1529 nachgewiesen ist.
Auf dem Vorsatz befindet sich der handschriftliche Kaufvermerk von Henricus Doring (Thuring) aus Deventer aus dem Jahre 1491. Doring kaufte den Band damals in Erfurt für die nicht geringe Summe von 1 Gulden und 10 neuen Groschen.
Doring wurde WR 1487/1488 in Erfurt immatrikuliert, erwarb WR 1489/1490 das Bakkalariat und schließlich WR 1490/1491 den Magistergrad. Doring kaufte den Band offensichtlich kurz nach seiner Magisterprüfung. Auf dem Titel zur Politik des Aristoteles nennt er sich selbst bereits Magister.
Der Sammelband enthält sehr zahlreiche Annotationen von der Hand Dorings. Sein Interesse galt vor allem der Politik des Aristoteles. Hier ist der komplette Text mit sehr zahlreichen Kommentaren und interlinearen Zusätzen versehen. Weil trotz der breiten Ränder nicht genug Platz für alle seine Annotationen war, fügte Doring zusätzlich mehrere leere Blatt in A8 ein, und beschrieb diese ebenfalls beidseitig.
Auf dem Titelblatt zur Politik formuliert Doring das Ziel seiner Arbeit:
„Libri politicorum non modico labore glosati et commentati ex expositionibus Egidii super eosdem libros per magistrum Henricum Thueringk.“
Doring wollte offenbar den Kommentar zur Politik des Aristototeles von einem gewissen Aegidius dem von Versoris gegenüberstellen. Ob es sich dabei um Super libros politicorum handeln könnte, welcher lange Zeit Aegidius Romanus zugeschrieben wurde, muss noch näher untersucht werden. Bei den ebenso zahlreichen interlinearen Zusätzen handelt es sich um sprachliche Erläuterungen.
Nach ihrer Prüfung mussten Magister noch für circa zwei Jahre an der Universität verbleiben, um eigene Lehrveranstaltungen durchzuführen. Vermutlich handelt es sich bei den vorliegenden handschriftlichen Annotationen Dorings um die Grundlage für eine eigene Lehrveranstaltung in Erfurt.
Die Annotationen Dorings gehen weit über die üblichen Marginalien in Inkunabeln hinaus. Auf insgesamt über 160 Seiten befinden sich seine handschriftlichen Anmerkungen, welche einige tausend Zeilen betragen. Seine Schrift besticht zudem durch eine sehr kleine Schriftgröße.
Inkunabeln mit derart zahlreichen handschriftlichen Annotationen sind selten. Vorliegender Sammelband ist zudem von bedeutendem wissenschaftlichen Wert, da der Schreiber namentlich bekannt ist und topographisch wie zeitlich genau einzuordnen ist.
Die Universität Erfurt gehörte im 15. Jahrhundert zu den renommiertesten Hochschulen des Deutschen Reiches. Vorliegender Sammelband ermöglicht einen seltenen Einblick in den unmittelbaren Lehrbetrieb im ausgehenden Mittelalter. Seine handschriftlichen Annotationen sind von hohem wissenschaftlichen und historischen Wert für die Erfurter Universitätsgeschichte im späten 15. Jahrhundert.
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